Wenn das Auto von selbst bremst

Silke Ortner forscht, damit Autos sicherer werden. Im Interview erzählt die Grazer Ingenieurin von Autos mit Assistenzsystemen. Ob auf sie wirklich Verlass ist?

Zur Person

DI Silke Ortner studierte Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Fahrzeugtechnik an der Technischen Universität Graz.

Interview

Silke Ortner ist seit 2008 bei Magna Steyr im Bereich Engineering tätig, wo sie seit letztem Jahr als Teamleiterin die Entwicklungsarbeit im Bereich Fahrzeugsicherheit anhand von Computer-Simulationen und Crashtests vorantreibt. Die Grazer Ingenieurin ist von der FEMtech-Jury zur Expertin des Monats März 2018 gewählt worden.

Sie arbeiten im Bereich der Fahrzeugsicherheit. Wie groß ist das Team?
Silke Ortner: Wir haben bei Magna weltweit 175 Entwicklungsingenieure, 65 davon in Graz, sowie 200 Testingenieure, 180 davon in einem Testcenter in Deutschland und 20 in Graz. Ich bin eine von 65 Entwicklungsingenieuren. Wir kümmern uns um Fußgängerschutz, Insassenschutz und Strukturentwicklung, wo ich tätig bin.

Wie kann man Autos noch sicherer machen? Ist hier nicht schon alles erforscht und optimiert worden?
Autos schauen nur für Außenstehende ähnlich aus. Es gibt jetzt allerdings tatsächlich einen Trend zur Vereinheitlichung der Fahrzeugfronten, da geht es um den Fußgängerschutz. Auch innen tut sich einiges: Wenn sich die Population hinsichtlich Größe und Gewicht verändert, müssen wir das auch bei den Dummys berücksichtigen, mit denen wir Unfallsituationen simulieren.

Welche Sicherheitsmaßnahmen sind heute Stand der Technik?
Heute geht es vor allem um die aktive Sicherheit und die Implementierung von Fahrerassistenzsystemen: Spurassistent, Toter-Winkel-Warner, Bremsassistent oder, schon länger bekannt, ABS und ESP.

Autofahren wird also immer sicherer?
Man muss immer dazusagen: Assistenzsysteme sind hilfreich und können Leben retten. Man findet sie aber nur in neuen Fahrzeugen, und niemand sollte sich auf sie verlassen, weder im eigenen Fahrzeug noch bei einem anderen Verkehrsteilnehmer. Es ist gut, dass es diese Systeme gibt, aber sie sind kein Grund dafür, das eigene Hirn auszuschalten. Der wichtigste Schutz ist immer noch der Sicherheitsgurt.

Was leisten Assistenzsysteme in Bezug auf den Fußgängerschutz?
Fußgängerschutz ist bei uns ein eigener Bereich, in dem am Schutz von Erwachsenen und Kindern geforscht wird. Wir arbeiten an Notbremssystemen, die bremsen, wenn ein Fußgänger oder Fahrradfahrer erkannt wird. Für Fußgänger gibt es das schon.

Wie funktioniert das genau?
Wenn die Sensoren einen Fußgänger, der sich vorne von der Seite nähert, erkennen, dann bremst das Auto selbstständig und bleibt im Optimalfall stehen. Wichtig ist aber auch der passive Fußgängerschutz: Die Front des Autos wird so gestaltet, dass auch bei Kontakt mit einem Menschen bestmöglicher Schutz gewährleistet ist.

Was sehen Sie in Ihrer Arbeit als Erfolge oder Fortschritte?
Ein Erfolgsgefühl habe ich immer dann, wenn ich ein Fahrzeug auf der Straße sehe, das ich mitentwickelt und positiv getestet habe, wie zum Beispiel den Mini Countryman.

Eine Ihrer Aufgaben ist auch der Schutz von Hochvoltkomponenten in Elektroautos. Was muss hier besonders geschützt werden?
Es ist vergleichbar mit einem Kraftstofftank. Beides sollte bei einem Unfall nicht beschädigt werden, da Brandgefahr besteht.

Das geringe Fahrgeräusch der Elektroautos wird oft als Sicherheitsrisiko genannt. Wie sehen Sie das?
Daran forschen wir gerade. Aus unserer Sicht ist es denkbar, dass Elektroautos ein Fahrgeräusch bekommen – entweder dauerhaft oder nur bei der Annäherung an Fußgänger.

Welche Technologien sehen Sie für die Zukunft des Individualverkehrs bzw. welche Zukunft hat er?
Es ist bekannt, dass intensiv am autonomen Fahren gearbeitet wird. Ich bin aber der Meinung, dass es wichtig wäre, den Individualverkehr einzuschränken und den öffentlichen Verkehr auszuweiten.

Gibt es eine Erfindung, die noch gemacht werden müsste, um im Individualverkehr Grundlegendes zu ändern, wie einst der Ottomotor?
Wenn ich das wüsste, dann könnte ich vielleicht große Probleme lösen. Ich denke, der Ottomotor wird auch weiterhin die dominierende Antriebstechnologie bleiben.

Womit fahren Sie, wenn Sie privat unterwegs sind?
Mit einem Benzinfahrzeug. Ich fahre aus dem Norden von Graz zur Arbeit. Das dauert eine halbe Stunde. Ich würde gerne öffentlich fahren, wenn es zeitlich möglich wäre.

Zur Person

DI Silke Ortner studierte Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Fahrzeugtechnik an der Technischen Universität Graz.

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