„Praxisnahe, erlebbare Verkehrserziehung“

Interview mit Ellen Dehnert, Leiterin der ÖAMTC-Mobilitätsprogramme Wien, Niederösterreich und Burgenland.

Zur Person

Ellen Dehnert ist Leiterin der ÖAMTC-Mobilitätsprogramme Wien, Niederösterreich und Burgenland.

www.oeamtc.at/verkehrserziehung

Kontakt:
Verkehrserziehung und E-Bike-Kurse in Wien, NÖ, BGLD:   
sicher.mobil@oeamtc.at
Fahrradkurse für Anfängerinnen in Wien:
diversitaet@oeamtc.at

 

Frau Dehnert, Sie leiten seit Jahresbeginn die Mobilitätsprogramme des ÖAMTC in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland. Über welche Stationen sind sie zu dieser Position gekommen?
Ellen Dehnert: Ich habe 2004 als Pkw-Instruktorin in unserer ÖAMTC-Fahrtechnik begonnen. Ab 2014 habe ich mich dort zunehmend im Bereich Qualitätssicherung und Schulung betätigt. Die jüngeren Verkehrsteilnehmer/innen bildeten für mich schon immer einen Schwerpunkt. Zum Beispiel die Frage, wie man frisch gebackene Autofahrer/innen in ihrem oft ungestümen, sorglosen Drang durch Fahrsicherheitstraining sensibilisieren und ihnen potenzielle Gefahren bewusst machen kann. Außerdem habe ich Nachschulungskurse zum Thema Kindersicherung geleitet. So hatte ich auch mit der Zielgruppe der Eltern zu tun.

Wie wichtig ist Ihnen das Thema Fahrrad?
Ich verantworte fachlich die vom ÖAMTC in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland seit 2015 angebotenen Fahrradkurse. Somit bin ich mit der Übernahme der Verkehrserziehung also kein Neuling – die Jugend und das ganze Thema Fahrrad stehen schon immer im Fokus meines beruflichen und privaten Interesses. Wir bieten zum Beispiel auch Fahrradkurse für Erwachsene an, die noch gar nicht Radfahren können – die nie die Möglichkeit hatten, es zu lernen. Andererseits auch E-Bike-Kurse für Wiedereinsteiger, wobei da die Zielgruppe eher jene ab 60 Jahren ist.

Wie sind Sie selbst im Alltag mobil?
Ich bin sehr interessiert an unterschiedlichsten Sujets und auch in meinen privaten Interessen sehr breit aufgestellt. Und genau so ist es auch beim Thema Mobilität. Vielleicht gerade deshalb, weil ich in einem autofreien Haushalt aufgewachsen bin. Ich war schon mit 16 Jahren ganz ungeduldig, endlich Autofahren lernen zu dürfen und habe bis heute Freude daran. Aber ich nutze auch wahnsinnig gerne das Rad und erledige viele Alltagswege damit. Als Besitzerin einer Jahreskarte der Wiener Linien bin ich zudem regelmäßig mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Nicht zuletzt der Umwelt zuliebe ist es mir wichtig, gute Alternativen zum Auto zu haben. Jedes Verkehrsmittel hat seine Vorzüge, und das lebe ich auch selbst.

Wie verbreitet ist so eine selektive Nutzung von Verkehrsmitteln in der Bevölkerung?
Aus meiner Erfahrung mit jungen Autofahrerinnen und Autofahrern weiß ich, dass eine wachsende Anzahl junger Leute den Führerschein spät macht oder „weil es halt einfach dazu gehört”. Manche verzichten gar auf dessen Erwerb - gerade im städtischen Bereich. Außerdem stellt sich immer die Frage, ob man sich den Führerschein auch leisten kann. Wenn mehr Menschen multimodal unterwegs sind, liegt der Vorteil darin, dass sie auch die verschiedenen Blickwinkel auf den Verkehr verinnerlichen und Verkehrssituationen aus eigener Erfahrung besser beurteilen können. Das fördert das gegenseitige Verständnis und da sollte man schon bei Kindern ansetzen. Oft ist das Elterntaxi ganz normal und das Fahrradfahren gar kein Thema. Wenn ich eine Fortbewegungsart von Beginn an vermeide, werde ich sie auch später kaum nutzen.

Die ÖAMTC-Verkehrserziehung hat eine lange Tradition. Wie stehen Sie zu diesem Erbe?
Ich bin glücklich und stolz, mich diesem Thema zukünftig widmen zu dürfen. Unsere Angebote richten sich von Kindern im letzten Kindergartenjahr über die Volksschule bis hin zur Unterstufe. Dank der Zusammenarbeit mit der AUVA, unserem Kooperationspartner der ersten Stunde, sind diese kostenlosen Angebote überhaupt erst möglich. Das Programm „Hallo Auto!“ feiert übrigens heuer sein 35-jähriges Jubiläum und hat österreichweit fast 2 Millionen Kinder erreicht. Da wird man schon ehrfürchtig. Natürlich gibt es bereits einige Ideen für die Zukunft, die ich gerne umsetzen würde.

Was sind das für Zukunftsideen?
Unter anderem möchten wir uns dabei einerseits an Jugendliche in der Oberstufe wenden und andererseits auch mehr auf die Eltern zugehen. Einem kleinen Kind bringt es wenig, wenn man nur ihm allein erklärt, wie man sich richtig anschnallt. Die Eltern sind diejenigen, die hier unterstützen und z. B. auch wissen müssen, wie ein guter Kindersitz beschaffen ist. Auch wenn es darum geht, sein Kind auf dem Weg zum Radfahrer zu begleiten, sind die Erwachsenen gefragt. Es wird also in Zukunft sowohl neue Angebote geben als auch Anpassungen bestehender Programme mit zeitgemäßen Inhalten.

Was möchten sie für Jugendliche anbieten, die motorisiert unterwegs sein wollen?
In allererster Linie Bewusstseinsbildung. Das ist in der Altersgruppe oft eine Herausforderung, weil ganz andere Themen viel spannender sind. Nichtsdestotrotz wollen wir den Jugendlichen durch praxisnahe, erlebbare Aufklärung zeigen, was Geschwindigkeit bedeutet, warum ein paar Kilometer pro Stunde mehr einen gefährlichen Unterschied machen können. Und ich möchte auch die Beifahrer/innen sensibilisieren, also Jugendliche, die mit Freunden am Moped oder im Auto mitfahren. Sie sollen den Mut haben, auf zweifelhaftes Verhalten des Lenkers oder der Fahrerin zu reagieren. Also ein Bewusstsein zu entwickeln, bei wem man mitfährt, und bei wem man das in Zukunft lieber nicht mehr macht und auch kommuniziert, warum. 

Welche Angebote gibt es für Autofahrer/innen im höheren Alter?
Auch für die Gruppe der Ü60-Lenker/innen gibt es Fahrsicherheitstrainings in Kooperation mit unseren Fahrtechnik Zentren. Die Erfahrung zeigt, dass sich ältere Lenker/innen zum Beispiel nicht so richtig trauen, stark zu bremsen. Da wird im Falle des Falles oft Bremsweg verschenkt. Ein weiteres Thema für diese Zielgruppe sind Fahrerassistenzsysteme. Die Fahrzeuge werden immer mehr mit Technik ausgestattet, was bei manchen Lenkerinnen udn Lenkern zur Überforderung führt. Viele kommen damit nicht zurecht oder nutzen die Systeme nicht optimal – auch da wollen wir unterstützen und aufklären.

Thema Radfahren: Sie erwähnten eingangs ein Angebot für Erwachsene, die nie Fahrradfahren gelernt haben.
Ja, das ist ein Kurs für Frauen aus der ganzen Welt, den der ÖAMTC in Kooperation mit der Mobilitätsagentur seit 2014 in Wien anbietet. Früher besuchten hauptsächlich Frauen mit Migrationserfahrung unsere Kurse, aber inzwischen sind auch Österreicherinnen dabei. Da geht es wirklich von Grund auf darum, Fahrradfahren zu lernen. Die Kurse dauern acht Tage zu je drei Stunden. Dann kommen noch drei Ausfahrten dazu, um die frisch gebackenen Radfahrerinnen auch in den Verkehr zu führen. Die Kurse sind kostenlos und leisten einen enormen Beitrag zur  Mobilität. Das Feedback nach so einem Kurs ist ergreifend. Bei manchen Teilnehmerinnen fließen die Tränen, weil ein Lebenstraum in Erfüllung gegangen ist. Für viele Menschen ist das Radfahren ein echter Zugewinn in ihrer Lebensqualität und Freiheit. Zum Beispiel, wenn sie keinen Führerschein haben oder sich kein Auto leisten können.

Es gibt auch Angebote für E-Bike-Fahrer?
Ja, wir bieten Gratiskurse für Wiedereinsteiger/innen, E-Bike-Anfänger/innen und Kaufinteressierte. Zu denen kommen eher Menschen ab 60, die grundsätzlich Radfahren können, sich aber nicht ganz sicher am E-Bike fühlen. Das sind auch jene, die vielleicht länger nicht Rad gefahren sind und sich nicht in den Straßenverkehr trauen. In den Kursen machen wir sehr viele Praxisübungen, die jede/r für sich auf seinem Level durchführen kann. Am Ende des Kurses soll jede/r wissen, wo er bzw. sie steht, wo die individuellen, radfahrerischen Stärken und Schwächen liegen sowie spezielle Tücken des Elektrofahrrads lauern. 

Was ist Ihre Wunschvorstellung zum Thema Mobilität?
Der ÖAMTC versteht sich als Mobilitätsclub und mein Wunsch ist es, dass Lagerdenken – Autofahrer/innen, Radfahrer/innen, Fußgänger/innen, etc. – immer weniger wird.  Und dass die Offenheit für verschiedene Situationen das individuell optimale Verkehrsmittel zu finden steigt. Hinsichtlich des Umweltgedankens würde ich mir wünschen, dass jede/r für sich bemüht ist, ein kleines Stückchen Richtung Nachhaltigkeit zu gehen – zu Gunsten des ökologischen Fußabdrucks.

Zur Person

Ellen Dehnert ist Leiterin der ÖAMTC-Mobilitätsprogramme Wien, Niederösterreich und Burgenland.

www.oeamtc.at/verkehrserziehung

Kontakt:
Verkehrserziehung und E-Bike-Kurse in Wien, NÖ, BGLD:   
sicher.mobil@oeamtc.at
Fahrradkurse für Anfängerinnen in Wien:
diversitaet@oeamtc.at